loxliki05 🎞️’s review published on Letterboxd:
Vor 40 Jahren war es Star Wars, vor 20 Herr der Ringe und vor 10 Jahren Planet der Affen: Science Fiction wurde nebensächlich, zur Randbeschallung, zu heutigen Verhältnissen für die Kinos abseits der abnehmenden Superheldenaffinität fast irrelevant. Dune: Part 2 steigt dabei wie der Messias hinter der zurückliegenden Einöde an großen Weltenerkundungs- und Science Fiction Filmen wie gerufen empor und treibt epochale Werke in neue Sphären. Denis Villeneuve, dem mit seinem Erstling des Stoffes Frank Herberts bereits ein unwiderlegbarer Meilenstein gelungen ist, fasst erneut Fuß. War Dune noch eine sehr langsame, wundervolle und beeindruckende Einführung mit langsamen Tempo, vielen kreierten Bruchstücken und einer enormen Relevanz, die wundervoll in eine spannende Handlung und kultureller Einflüsse eingewebt wurden, wusste man sich gar nicht sattzusehen. Wie gefesselt wichen die Blicke bei den drei Sichtungen kaum von dem Bildschirm oder der Leinwand, Zeit verging spürbar langsam, weil die Welt so interessant, vielfältig und wunderschön gewesen ist. Man lebte den Spice, man erkundete mit den Figuren und lernte. Man wurde Teil einer großen Space-Opera.
Mit dem Gespür für dir technische Perfektion, Zimmer’s harmonisch dröhnender, surrealer und beeindruckender Musik, Gänsehautmomenten wie vom Fließband und einer optischen Reizüberflutung, die in Ansätzen nur dem Kino gerecht wird, bleibt außer Frage.
Dune Part 2 setzt genau dort an, dockt makellos an die Stärken seines Vorgängers an und behält für eine Stunde weiterhin gewohntes Tempo und die Stimmung bei. Villeneuve hält den Ball flach, meistert gekonnt Inhalte, die sich sehr schön ergänzen und man erfreut sich daran, erneut in diese Welt einzutauchen und die Welt und Geschichte mit bekannten Gesichtern durchlaufen zu können. Bekannte Gesichter bleiben jedoch nur anhand ihres Aussehens dieselben. Figuren wie Lady Jessica, gespielt von Rebecca Ferguson und Figuren wie Stilgar, verkörpert von Javier Bardem, verbleiben nicht wiederzuerkennen. Rebecca Ferguson verfällt durch einen Kniff förmlich der totalen Veränderung, obwohl sie jedoch vor einen moralischen Konflikt, ein Dilemma geschickt wird. Besonders ihre Figur findet in den 167 Minuten an Laufzeit nur noch wenig Raum und in diesen Aspekten, in denen man erwartet hätte, das Dune Part 2 tiefer in die Materie einstiegt, bleibt einzig eine Oberflächlichkeit bestehen. Stilgar ist ebenfalls essenziell für die Handlung des Filmes, doch auch seine Anwesenheit erobert ein anderes Gefühl, als noch in Teil 1. Das Mysterium seines Volkes, die Traditionen, die Lebensart und die Anwesenheit sorgten für potentielle Feinde und damit eine nicht außer Acht werden lassende Grundspannung, die für Dune essenziell gewesen ist. Paul Atreides, der jedoch Teil dieser Welt Stilgar’s wird, bekommt alle Sitten und Gebräuche gezeigt, die ihm expositionslastig und zu Ungunsten des Zuschauers nahegelegt werden. Auf diesem Weg erzählt Villeneuve zweckmäßig und zeitgewinnend, aber keinesfalls den Ansprüchen gemäß gut, eine Geschichte, die trotzdem packt und funktioniert, beeindruckt, jedoch eben nicht makellos und kritikbefreit ist.
Dune Part 2 fühlt sich in manchen agen leider zudem gehetzt an. Die Liebesgeschichte zwischen Chani und Paul iert regelrecht in kürzester Zeit, Villeneuve hantiert mit zu vielen Figuren, die alle von enormer Wichtigkeit sind, aber einfach keine Zeit und Möglichkeit bekommen, sich in diesem Maße auszubreiten, wie sie es verdient hätten. Figurenentwicklungen müssen zudem einfach hingenommen werden, oft fehlt diese Dringlichkeit, die noch ein Erstling mit dem großen Erbe, das an den Jüngsten Nachkommen weitergegeben wird, aufgebaut wurde und für das, was Villeneuve alles zu erzählen versucht, reicht die Laufzeit bedauerlicherweise kaum aus. Leider werden auch die hervorragenden Schurken, die Harkonnen, die die besten Momente spendiert bekommen, kaum vielfältig und zu kurz ausgenutzt. Dune Part 2 hätte einen weiteren Film benötigt. Und trotz Makel und Defizite ist man aber wieder gefesselt, bewegt von der Gänsehaut, angespannt der Figuren wegen und in Ohnmacht fallend wegen den Verbeugungen vor HR-Giger. Dune Part 2 ist der erwartete Science Fiction Film, dieser Meilenstein und auch das Meisterwerk. Villeneuves Perfektion liegt in der Imperfektion. Erneut kann man sich der Effizienz der Bilder nicht sattsehen, technisch ist Dune Part 2 ein absoluter Magnum Opus und jeglicher Bombast lässt einen vor Stärke und Bildgewalt förmlich erschüttern. Dune Part 2 besitzt dabei sehr viel mehr Action, sehr viel mehr Brachialität, Brutalität und dreht ordentlich an der Tempo-Schraube, ohne aber gar in die Lage eines Mainstreamfilmes abzudriften.
Seitens Villeneuve ist Dune Part 2 aber kein langsames Science Fiction-Urgestein mehr, sondern für Dune genau das, was Empire Strikes Back für Star Wars gewesen ist.
Ein Film für die Ewigkeit, ein Film der nicht vergessen werden und ein Film, an den man sich noch abermals zurückentsinnen wird. Dune: Part 2 ist die Liebe zum Medium Film und ansatzweise vervollständigt im Gesamtkonstrukt des Romanes eine Reise, die es in dieser Form nicht mehr geben wird. Selten war eine Welt so erlebbar und spürbar, förmlich greifbar. War der Vorgänger noch unterkühlt, recht distanziert und von der Farbgebung oft grau, bieder und dunkel, was die Gefühlslage der Figuren in manchen Szenen replizierte, ist der neuste Film weitestgehend leuchtend orange, kraftvoll hell, aber doch mit Schattenseiten, grauen Einflüssen und dunklem Gestein. Auch diese Farbanordnung und Orientierung, die immer dunkler wird, je weiter ihre Figuren in den Süden weichen, wird als intelligenter Leifaden genutzt und ist strukturell perfektes Erzählen für Paul Atreides Figur. Villeneuve setzt nämlich einen großen Augenmerk darauf, dass man seine Figur und Entwicklung, die Ambivalenz, nicht richtig versteht, seine unvollkommene Liebe zu Chani von jetzt auf gleich iert, Versprechen für den einzig wahren Weg umgangen und alle Liebenden auf der Strecke gelassen werden. Dune Part 2 legt einen großen Augenmerk auf das Verständnis im Unverständnis, cleveres Vorerzählen wird eingelöst und bewahrheitet sich im Nachhinein. Der Zuschauer kann schon mit den ersten Szenen, fallenden Leichen und hereinprasselnden Schüssen das nicht nur symbolische Erwachen der Macht erahnen. In welche Richtung sich der Film dreht, möchte man zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht wahrhaben.
Dune Part 2 spielt nämlich fantastisch mit solchen Versatzstücken. Die Figuren gehen doch erstaunlich zu herzen, werden relevant, entwickeln eine Relevanz. Der Zuschauer erlebt die Geschichte durch die Augen von Zuschauenden, bis in den letzten 50 Minuten ein Perspektivwechsel aufliegt. Der Film verfällt der Opferperspektive, nimmt die Augen Chani’s an und sie ist der eigentliche Hauptakteur des gesamten Filmes. Zendaya war dabei selten besser, Timothée Chalamet ebenfalls oscarwürdig und die Schurkenseite mit Austin Buttler, Dave Bautista, Christopher Walken und Stellan Skarsgård bestmöglich besetzt. Das Problem wenn man die Liste der Schurkenseite, ähnlich wie auf der „Helden“-Seite, erblickt, bleibt nur selbige Komplikation. Zu viele Figuren, die alle fantastisch sein sollten, auf zu wenig Laufzeit. Dune Part 2 spielt dabei besonders mit der herausragenden Präsenz von einem Austin Butler, der die besten Szenen in einer Arena spendiert bekommt, doch kaum in dem Film stattfindet. Alle Schurken haben ihre kleinen zwischengestreuten Szenen und über Stunden hinweg keimt die Frage und die Lust auf, in die Tiefen der Harkonnen einsteigen zu wollen. Villeneuves Spielereien mit Infrarotkameras, die jedoch nachträglich bearbeitet wurden, sorgen für eine Optik, die nicht einmal dem Kino als Schauplatz gerecht wird. Dune Part 2 ist viel mehr als ein Kinofilm, er ist ein Zustand, dem nicht einmal IMAX in einem solchen Ausmaß replizieren kann, weil die Technik des momentan nur halbwegs fortschrittlichem Science Fiction-Genre, regelrecht übergangen wurde. Villeneuve hat sich noch einmal selbst übertroffen, löst das große Erbe ein und liefert Momente, die zu den Wichtigsten der letzten Jahre zählen und essenziell für die heutige Zeit sind.
Momente, in denen gelernt wird, einen Wurm zu reiten, Kämpfe ohne einen einzigen musikalischen Klang, große Schlachten stattfinden, drei Würmer gleichzeitig das Bild einnehmen, Laserwaffen durch Schiffe jagen, die vor spektakulärer Kulisse in die Dünen krachen oder selbst subtile, kleine, Erzählungen der Schurken durch die Darbietung von Details in den Anzügen stattfinden. Villeneuves penible Perfektion ist noch einmal weitreichender Aufzufinden, wie bereits in dem Vorgänger und solche Szenen, die sich einem enormen Grad der Detailverliebtheit ersehnen, lassen das Kino- und Filmherz einfach höher schlagen. So überrascht es dennoch, dass Dune Part 2 nicht lupenrein ist, unabweisbare Probleme hat und in manchen agen fast etwas enttäuscht, doch als Gesamtbild unter Einbezug des ersten Filmes ist Dune Part 2 die perfektionierte Science Fiction Fortsetzung, die einen erneuten Meilenstein setzt und eine Zukunftsvision aufweist, der man freudenstrahlend und mit Zuversicht entgegenblicken darf. Dune Part 2 liefert zudem aber auch große Nachrichten, Religionsfanatismus und weiß damit weitgehend, wenn auch flachbleibend, umzugehen. Villeneuve macht es sich etwas zu leicht, Anhänger auf die Seiten des Messias zu setzen und diese auf Schritt und Tritt folgen zu lassen, doch besonders das Erbe des Volkes, welches mit jeder weiteren Düne mehr in die Untiefen und düstere Zukunft gelockt wird, ist hochspannend, mitreißend und emotional. Der charakteristische Zwiespalt, der schon niedergeschriebene Glaubensansatz, den Stilgars Figur verfolgt und genauestens das Ende der Geschichte kennt und dennoch weitgehend diesem Glaubensweg beibehält, sind Erkenntnisse, die erst mit vergehenden Tagen wirken, wenn man sich dieser Momente zurückbesinnt. Dune Part 2 wirkt noch lange nach.
Villeneuve’s jüngstes Werk muss mehrfach geschaut werden, um alles greifen und ergreifen zu können und entwickelt sich in der Retrospektive immer weiter in die Lage, in der sich bereits der Vorgänger befindet und lässt derweil von einigen Schwächen sogar absehen. Figuren, deren Wichtigkeit anfangs in Frage gestellt werden konnte, hängen wie in einer hoch-umdynamischen Veerschachtelung, beinahe wie in einem Zahnrad miteinander zusammen und nimmt man einen solchen Charakter aus der Gleichung, so ist Dune Part 2 keinesfalls mehr das Gleiche oder auch nur annähernd so gut. Die Disbalance der Tonalität, des Tempos, der Struktur und der Figurengewichtung hat somit einen Sinn. Die Schurkenseite hat solch eine Screentime wie die Allgeliebten in der originalen Star Wars Trilogie, doch wie in diesen Meilensteinen, verbreitet sich ebenfalls das Gefühl, als ob ebensolche mehr zutun bekämen und öfter vorhanden wären. Mit fortlaufender Zeit und Distanz zur Sichtung hebelt Dune Part 2 förmlich seine Defizite selbst aus, wirkt so stark nach, wie die seltensten Bombast-Filme und ist anspruchsvolles, episches und schwer brachiales Science Fiction Kino. Kaum zu glauben, das Villeneuve auf allerhöchstem Niveau seine Struktur verändert und noch wunderbar ins Gute wendet. Paul Atreides bleibt nunmal eine der relevantesten Figuren der Filmgeschichte und wie Dune Part 2 seine Figur, seine Eigenschaften, sein Erbe und seine Geschichte als abdriftenden, gar unverständlichen Leitfaden nutzt, funktioniert, weil Chani dazwischenfunkt und die Erzählperspektive übernimmt, meisterhaft.
Dune Part 2 ist Gänsehaut auf Hochtouren und erneut im Kino eine unvergessliche Zeit, die man in dieser Form nicht mehr erleben wird. Zumindest nicht, bis Dune: Messias erscheint. Es ist kaum zu erwarten. Die Relevanz, die Dune: Part 2 für die heutige Popkultur einnimmt, steht außer Frage.